Rivalen

Alte Feindschaft rostet nicht

Der ZSC und Lugano – eine Beziehung, die Fantasien und Emotionen weckt. Es war in den wilden Nuller-Jahren des dritten Jahrtausends, als die Rivalität zwischen den ZSC Lions und Lugano ihren Höhepunkt erreicht – mit fünf aufeinanderfolgenden Playoff-Serien. Pizza, Spaghetti, Nella Martinetti», tönte es damals aus dem ZSC-Anhang. «Non mollare mai» (Niemals aufgeben) hielten die Luganesi dagegen. Der Gotthardbasistunnel hat Lugano und Zürich um eine Stunde näher gebracht. Die atmosphärischen Differenzen zwischen den Kulturen sind allerdings geblieben – und die Falllinie der Bierbecher und die Lautstärke der Schimpftiraden aus dem Publikum sind ebenfalls gleich wie einst im Mai. Auch dies stellte der vergangene Samstag klar.

«Das ist die Serie, die man sehen muss», schrieb Kent Ruhnke vor der Neuauflage des Duells im «Tages Anzeiger». Der kanadische Trainer weiss, wovon er spricht. 2000 lenkte er den ZSC in einer denkwürdigen Finalserie gegen Lugano zum ersten Titel­gewinn seit 39 Jahren. Adrien Plavsic schoss die Zürcher damals zehn Sekunden vor Ende der sechsten Partie ins Meisterglück. Das alte Hallenstadion erzitterte in seinen denkmalgeschützten Grundmauern.

Zürich tanzte bis in den Morgen. Löwenkönig Michel Zeiter erschien am folgenden Abend in biergetränkter Vollmontur zum Interview im Studio des Schweizer Fernsehens. «Das Tor von Plavsic änderte alles», blickt Ernst Meier, der Präsident des «alten» Zürcher Schlittschuh Clubs, auf jene Nacht zurück – «es verhalf unserem Projekt auf einen Schlag zu jener Akzeptanz, die ihm zuvor von gewissen Kreisen verweigert worden war.» Das Projekt, von dem Meier spricht, ist die Zusammenarbeit des ZSC mit der Eishockey-Sektion des Grasshopper Clubs. Der Geist des Volksklubs ZSC und das Geld der noblen Grasshoppers ergaben die perfekte Symbiose – und beförderten das Stadtzürcher Eishockey innert dreier Jahre von einem weissen Flecken auf der Landkarte zum Mittelpunkt der Szene.

«Dass uns das Zusammenführen der beiden Vereinskulturen gelungen ist, war fast unglaublich», sagt Meier. Die ZSC-Fans ausgesperrt Der HC Lugano leistete in diesem Prozess indirekte und unfreiwillige Schützenhilfe. Denn in den Südtessinern hatte man jenen Rivalen gefunden, der in Zürich alle Gesellschaftsschichten und sportkulturellen Gesinnungen zusammenführte.

ZSC Playoff in Lugano 1992

Als die ZSC-Fans in der Finalreprise 2001 in der Resega ausgesperrt wurden, erreichte die Emotionalität des Duells einen weiteren Kulminationspunkt.

Plavsic und Morgan Samuelsson

All dies wurde am Samstag von der Hallenstadion-Regie genüsslich in Erinnerung gerufen – als man vor dem ersten Bully die Meisterschüsse von Plavsic (2000) und Morgan Samuelsson (2001) per Grossleinwand einspielte. Das vielleicht aufregendste ­Duell fand aber schon 1992 statt. Damals begegneten sich Tessiner und Zürcher im noch jungen Playoff-Format das erste Mal: hier der haushohe Favorit aus Lugano, der mit den Millionen von Präsident Geo Mantegazza und dem strategischen Genie von Trainer John Slettvoll das Schweizer Eishockey revolutioniert hatte, da der notorisch klamme ZSC, der das Verliererimage kultivierte, im Zigarettenqualm und Bierdunst seinen Fans auf weichem Eis lauwarmen Sport bot und schon das Erreichen der Playoffs wie den Meistertitel feierte. Doch in jenem Winter stellten zwei Persönlichkeiten die Hierarchie auf den Kopf, die aus unterschiedlichen Welten stammten, aber in Zürich eine Seelen­verwandtschaft entwickelten: der altgediente Sputnik Wladimir Krutow und der junge Engadiner Trainer Arno Del Curto. Fans fehlte der Durchblick Der damalige Präsident Pepe Wiss erinnert sich: «Krutow und Del Curto waren Meister ihres Fachs – mit einer grandiosen Ausstrahlung.» Dem Publikum fehlte gleichwohl der Durchblick: «Das Hallenstadion war so verraucht, dass man die Spieler aus dem dritten Rang nur schemenhaft erkannte», erzählt Wiss. Und das Oerliker Oval stiess an seine Grenzen.

Feuerpolizeilich war die Kapazität auf 11 500 Zuschauer beschränkt. Doch weil es keine elektronische Eingangskontrollen gab und der Sicherheitsdienst von der Rockerbande Rossi Boys nach hemdsärmligen Kriterien umgesetzt wurde, liess man so viele Zuschauer ins Stadion, bis jede Treppenstufe und sämtliche Stehplätze direkt hinter der Bande besetzt waren. «Die wirkliche Zuschauerzahl durften wir nicht nennen, aber ich gehe davon aus, dass über 13 000 Menschen im Stadion waren», sagt Wiss. Diese Zeiten sind längst vorbei. In der Moderne passieren im Hallenstadion die Zuschauer durch Drehkreuze den Eingang. Der Nebel wird mit Trockeneis pro­duziert und die Fans werden mit Plastikratschen und Fähnchen ausstaffiert. Die Raucher zwängen sich in den Pausen artig in ein Fumoir. Und trotzdem ist noch vieles wie früher. Denn die besten Feinde lassen sich durch keine Hausordnung trennen.