Hallenstadion

Hallenstadion und ZSC: Mehr als ein Klub und seine Adresse

Der Umzug der ZSC Lions nach Zürich West ist auch ein sporthistorischer Kulturschock. Die Geschichte der berühmtesten Schweizer Sporthalle.

Das Zürcher Hallenstadion verdankt seine Existenz dem Regen. Weil im Sommer der Himmel über dem Industrie- und Bauerndorf Oerlikon oft unverhofft die Schleusen öffnete, mussten zu Beginn der dreissiger Jahre des vorigen Säkulums immer wieder Meetings auf der offenen Rennbahn abgesagt werden. Das ärgerte die vielen tausend Radsportfreunde; sie forderten ein Dach. Das Dach kam nicht, aber dafür entstand ein paar Jahre später auf dem benachbarten 20 000 m² messenden Sumpfgelände Europas grösste Sporthalle, fortan Hallenstadion genannt. Bauzeit 14 Monate, Kosten 2,5 Millionen Franken, geplante Eröffnung am 26. Juni 1939. Alle waren bereit, die Reden waren geschrieben, die Ehrengäste geladen. Doch drei Tage vor dem feierlichen Akt verirrte sich ein Werbeballon der Schuhfabrik Hug in Zürich Nord, beschädigte den Neubau, verursachte einen Schaden von 182 000 Franken (die Versicherung zahlte nur 124 000 Franken) und erzwang die Verschiebung der Premiere um 131 Tage.

Aufbau des Hallenstadions 1939
Hallenstadion 1945

Es regnete erneut. Doch das störte am 4. November 1939 in Oerlikon niemand. Heinrich Gretler, Zürichs beliebtester Schauspieler, begrüsste die Zuschauer im Trockenen gereimt:
«Ich heiss euch hier, verehrte Gäste, willkommen zum Eröffnungsfeste. Wie ihr da sitzt, wie ihr da seid, im Alltagsrock, im Waffenkleid, behördlich hohe Abgesandte, berühmte Gäste, Unbekannte, Athleten oder Sportbeschreiber, Professionals oder Zeitvertreiber, Draufgänger, hingerissene Schwärmer, Plagöri, Streber, leere Lärmer. Mit freudig untermaltem Ton begrüss ich euch im Stadion.»

Der «freudig untermalte Ton» blieb vorerst gedämpft. Jenseits der Grenzen schossen Kanonen aus Oerlikon auf Soldaten, die Oerliker Sportkanonen machten Pause. Die Halle diente der Leichten Brigade 3 als Motorfahrzeugpark. Gauleiter Bohlen, Chef der fünften Kolonne der Deutschen in der Schweiz, durfte im Hallenstadion Hitlers diabolische Parolen verkünden. Der Bundesrat tolerierte die Kundgebung, «sonst liefert uns Deutschland keine Kohle mehr». Aus deutschen Lagern geflüchtete russische Kriegsgefangene «logierten» im Hallenstadion, dessen Buchhalter dunkelrote Zahlen schrieb. Zwei Sanierungen retteten Zürichs Sportpalast schliesslich mit Ach und Krach in die Friedenszeit hinein.

400 Radsportanlässe

Diese Friedenszeit war zunächst Blütezeit. Jetzt konnte die schnellste 250-m-Piste der Welt endlich ihrem Ruf gerecht werden, nachdem der Berichterstatter der „Neuen Zürcher Zeitung“ schon am 4. November 1939 lobende Worte für das Oval aus Kameruner Holz gefunden hatte: «Der Sieger Hermann Ganz durchmass die letzte Runde mit einem Durchschnitt von fast 58 Kilometern, der ein gutes Zeugnis für die Schnelligkeit der Bahn ist (. . .). Die Trommelfelle zarter Ohren zu sprengen aber drohte das Geheul der Motoren im Hexenkessel der Steherrennen, die den von Rüttimann vorzüglich geführten E. Speichinger über ein Viererfeld triumphieren sahen.» Seither fanden im Hallenstadion an die 500 Radsportanlässe statt: 58 Sechstagerennen, Steher-Europameisterschaften, Américaines, Keirin-Prüfungen, Omniums, Ausscheidungs- und Punktefahren, Derny- und Sprinterrennen, Verfolgungsmatches und jede Menge Weltrekordversuche. 52-mal figuriert das Hallenstadion in den offiziellen Weltrekordlisten der Union Cycliste Internationale.

Radrennbahn im Hallenstadion
ZSC-Arosa im Hallenstadion

Eishockey im Frühling

1950 erhielten die Radrennfahrer Konkurrenz. Nach langwierigen Querelen beschloss der Verwaltungsrat gegen das Veto der sparsamen Vertreter der Stadt Zürich den Einbau einer Eisbahn. Sie kostete knapp eine halbe Million Franken und erzürnte die Puritaner (Eishockey ist ein Wintersport). Der ZSC zügelte trotzdem vom Dolder nach Oerlikon und wurde künftig des Hallenstadions bester Kunde. Zur Eröffnung mass sich am 18. November 1950 der ZSC mit dem EHC Arosa. Es fielen zehn Tore, schön verteilt 5:5. Den ersten Treffer in der ersten Schweizer Eishalle erzielte Arosas Vorzeigestürmer Hans-Martin Trepp. Eishockey führt die Hallenstadion-Veranstaltungs-Rangliste mit rund 1500 Spielen in 70 Jahren an. Das gilt auch für den Publikumsaufmarsch. Weil die Feuerwehrleute sämtliche Augen zudrückten, verfolgten am 21. Dezember 1954 14 834 Zuschauer die Partie zwischen der Schweiz und der UdSSR. Dieser Hallenstadion-Rekord ist für die Ewigkeit. Seit geraumer Zeit dürfen aus Sicherheitsgründen nur noch 10 500 rein. Der Wintersport florierte im Hallenstadion auch im Herbst und im Frühling. Es war Schauplatz von Eishockey-Weltmeisterschaften und der Eiskunstlauf-EM 1971, von Curlingturnieren, Speedwayrennen und Eisrevuen. Die GC-Eishockeyaner erhielten während einer Nationalliga-B-Saison Gastrecht, und Denise Biellmann übte in der gelegentlich dem öffentlichen Eislauf zugänglichen Arena ihre weltberühmte Pirouette.

Quelle Bilder: www.hallenstadion.ch